Geschichte
der Maristen
Im Jahr 2014 wurde die deutsche Provinz der Maristenbrüder 100 Jahre alt. Die Anfänge der deutschen Provinz der Maristenbrüder erfolgten jedoch in Arlon in Belgien. Dort traten schon seit 1888 viele junge Männer aus ganz Deutschland in das Noviziat ein. Eine Niederlassung in Deutschland konnte wegen der Folgen des Kulturkampfes nicht eröffnet werden. So führte der Weg der meisten jungen Brüder in die Missionen, vor allem nach Brasilien, Südafrika und Samoa. Die erste Gründung in Deutschland erfolgte 1914 in Recklinghausen durch Fr. Raymund Koop auf dem Umweg über Samoa, wo der dortige Gouverneur Dr. Solf die Brüder kennen und schätzen gelernt hatte. So befürwortete er eine Schule in Deutschland zur Ausbildung junger Missionare.
Nach dem Ausbruch des 1. Weltkriegs mussten die deutschen Brüder und Novizen Belgien verlassen. Viele (160) wurden auch zum Kriegsdienst eingezogen, von denen 45 gefallen sind. Auf der Suche nach einer Unterkunft für die Novizen und Brüder in Deutschland fanden die „Gründerväter“ Fr. Arman-Leo Dorvaux und Fr. Josef-Verius Porta schließlich im Schloss der Frau Baronin Philomena von Hornstein in Furth bei Landshut Aufnahme. Diese bot den Brüdern auch die Brauerei und einen Teil der landwirtschaftlichen Liegenschaften zu Nutzung an. Der große Park wurde zu einem Gemüse-und Obstgarten umfunktioniert.
Die Gründer des Orden-Mutterhauses von Deutschland in Furth:
Fr. Josef-Verius Porta und Fr. Arman-Leo Dorvaux
Nach 1919 kam es in der Entwicklung des seit 1920 zum Distrikt erhobenen Zweiges der Maristen-Schulbrüder in Deutschland zu einem großen Aufschwung. Schnell wurden Schulen, Internate und Waisenhäuser als neue Wirkungsstätten übernommen. Die Zahl der Brüder stieg weiter an. In Furth wurden eine Reihe von Werkstätten eröffnet, Brauerei, Landwirtschaft und die Herstellung von Arquebuse und Biphosphat dienten als materielle Grundlage.
Mit dem Antritt des NS-Regimes 1933 erfolgte eine Periode der Unsicherheit und die Bedrohung durch die kirchenfeindliche Regierung wurde immer massiver, bis schließlich durch Gesetz 1936 die Schließung aller Einrichtungen in Bayern und später auch in Remagen und Recklinghausen erfolgte. Mehr als 100 Brüder verloren ihre Beschäftigung und mussten neue Arbeitsfelder im Ausland suchen. Eine Gründung in Dänemark war bereits früher erfolgt. Nun wurden neue Niederlassungen in den Niederlanden, in Polen, in der Schweiz und vor allem im Fürstentum Liechtenstein gegründet. Eine Reihe von Brüdern war auch in Italien im internationalen Juvenat (Grugliasco) und Noviziat (San Mauro) tätig. Die Gründungen in Ungarn hatten aus politischen Gründen keinen Erfolg und die vier Internate in Österreich mussten nach dem Einmarsch der Nazis auch bald wieder geschlossen werden.
Nun wurde ein neues Missionsfeld in Südamerika, in Uruguay, eröffnet. Ab 1937 reisten immer mehr deutsche Brüder dorthin, um eine Reihe von Schulen zu gründen. Mit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges kam eine Zeit schwerster Bedrängnis für den deutschen Distrikt. Viele Brüder wurden als Soldaten eingezogen und die Zahl der Gefallenen wurde immer größer. In Deutschland gab es nur mehr die zwei Häuser Furth und Recklinghausen, die von den Behörden besetzt und mit verschiedenen Gruppen belegt wurden (HJ, Lazarett, Flüchtlinge). Furth wurde auch von der Gestapo durchsucht. Der Blutverlust durch die im Krieg gefallenen 52 Brüder und die vielen, die nicht mehr in die Kongregation zurückkehrten, war enorm. Von den 235 Brüdern im Jahr 1938 waren noch 87 übrig geblieben; 34 davon wirkten in Uruguay. Ein Bruder starb auch im KZ Dachau. 1945 musste ein Neubeginn gewagt werden. Die Häuser in Vaduz (Liechtenstein) und St. Gingolph (Schweiz) bestanden weiter. Dänemark musste aufgegeben werden.
Schon bald wurde die Arbeit in Cham und Mindelheim und Recklinghausen wieder aufgenommen, nachdem die Fremdbestimmung (z. B. Lazarett für Kieferverletzte in Mindelheim) beendet war. 1946 erfolgte die Erhebung zur Ordensprovinz, ein Zeichen aus dem Mutterhaus für den Anstoß zu einem neuen Aufschwung. Stationen des Aufschwungs waren die Errichtung eines Studienhauses in München, der Neubau der Klosterkirche und des Brüderhauses in Furth, der Neubau der Schule in Recklinghausen und vor allem der Neubau der Schule in Mindelheim 1961 und die späteren großen Erweiterungsbauten. Auch Cham erhielt 1966 eine neue Schule, und schließlich 1995 auch Furth. Die Zahl der Brüder war 1967 auf 187 angewachsen. Die Internate und Schulen blühten.
Aber dann kam in der Zeit der großen Krise ab Ende der 60er Jahre auch der große Einbruch in Deutschland durch viele Austritte und Mangel an Berufen. Die Zahl der im Dienst der Erziehung tätigen Brüder wurde immer geringer, die Leitung und Versorgung der Schulen und Internate mit eigenem Personal und eigenen Mitteln war nicht mehr möglich und sie wurden den entsprechenden Diözesen übergeben. Heute werden die vier noch bestehenden Maristenschulen in Mindelheim, Cham, Furth und Recklinghausen von den entsprechenden Schulwerken der Diözesen Augsburg, Regensburg und Münster unterhalten. 1991 hatten die Brüder schon Liechtenstein verlassen.
Die Bemühungen, den maristischen Geist in diesen Einrichtungen durch entsprechende Weiterbildung der Lehrer zu erhalten, sind groß. Es gilt ein langes und erfolgreiches Erbe maristischer Erziehung in die Zukunft auch ohne Brüder weiterzuführen. Die 100jährige Erfolgsgeschichte der deutschen Brüder darf nicht in Vergessenheit geraten, ihr Werk muss auf neue Weise weiterleben und Frucht im Dienst der Kirche und der Gesellschaft bringen. Die 31 deutschen Brüder (2014) gehören seit dem Jahr 2000 zur neuen Provinz Europa-Zentral-West.
Zum Schluss dieses kurzen Überblicks über die Geschichte der deutschen Maristen soll noch auf den Beitrag, den die deutschen Brüder für die Missionen in aller Welt geleistet haben, hingewiesen werden. In Brasilien, Uruguay, Südafrika, China, Ozeanien und schließlich seit 1985 in Kenia sind die Folgen ihres Wirkens noch heute zu spüren. Deutsche Maristen waren ein prägender Faktor in der Geschichte des Instituts, auch wenn dies nicht immer im Bewusstsein vieler war. Das 100jährige Jubiläum ist der beste Anlass, dies zu würdigen. Die Jubiläumsfeiern wurden am 3.Februar in Recklinghausen eröffnet, wo die Geschichte der Brüder in Deutschland offiziell am 2. Februar 1914 begann. Dort wurde an diesem Tag nach einer schon langen Vorgeschichte in Belgien das erste Haus der Brüder in Deutschland bezogen. Am 11. Oktober wurde dieses Jubiläum in einer weiteren offiziellen Feier in Furth nochmals festlich begangen.
Seit der Gründung der Niederlassung der Brüder in Mindelheim 1926 wohnten diese im Schul- und Internatsgebäude. Das Haus war ursprünglich als Altersheim geplant und wurde im Rohbau von den Brüdern übernommen und umgebaut. Es diente über Jahrzehnte als Schule und Internat der Juvenat und Kommunität.
1961 trennte man Schule und Internat räumlich mit jeweils eigenen Gebäuden. Die Brüder lebten weiterhin im Internats- und Schulgebäude. Im Laufe der Jahre verringerte sich die Zahl der Brüder von über 20 auf aktuell (2014) vier. Der Bereich der Kommunität wurde dadurch für die Wenigen zunehmend unpraktikabel. Es verstärkte sich der Wunsch der Brüder, in einem eigenen, kleineren Haus zusammenzuwohnen, in dem man besser als Kommunität leben konnte.
Nachdem sowohl 2013/14 die Schließung des Internats beschlossen wurde und gleichzeitig die Option für den Verbleib einer Maristenkommunität in Mindelheim getroffen wurde, konnte mit der Planung einer neuen Bleibe für die Brüder begonnen werden. Die Entscheidung fiel auf das leerstehende Nebenhaus des Internates, das über Jahre die Gruppe der Kollegiaten beherbergte.
Das neue Zuhause der Maristenbrüder.
Einige Umbauten folgten, um es den Bedürfnissen einer älter werdenden Kommunität anzupassen. Am 15. Juli 2013 erfolgte der Umzug. Schnell ging der Wechsel der persönlichen Habe, schwieriger das Eingewöhnen in die neuen räumlichen Gegebenheiten. Das Haus beherbergt nun vier Brüder, hat Raum für eine neue Küche, Aufenthaltsbereiche, drei Gästezimmer und eine kleine Kapelle, die auch Gästen offen steht.
Am 2. Dezember 2013, bei einem kleinen Familienfest mit F. Provinzial Brendan Geary, Dekan Andreas Straub, einigen Ehrenmitgliedern und Freunden aus Mindelheim wurde das Allerheiligste nach einem feierlichen Gottesdienst in der Brüderkapelle ins neue Wohnhaus überführt. Damit wird die schöne kleine Kapelle neben der Studienkirche, die einst von Erwin Holzbaur und Toni Mayer gestaltet wurde, nicht mehr von der Kommunität genutzt, steht aber gerne anderen Gruppen zur Verfügung.
Es war ein wehmütiger Abschied vom alten Internatsgebäude, doch es gab auch Tröstliches: Die vier Fratres Gaudentius, Heinrich, Josef und Michael werden weiterhin in Mindelheim wohnen und in der Studienkirche mit der Gemeinde die Gottesdienste feiern. Pater Wilhelm Tangen, Maristenpater aus Passau, feierte am 10. Dezember die erste hl. Messe mit den Brüdern in der neuen Wohnung.
Die künstlerische Gestaltung des Gebetsraums konnte erst einige Wochen später vollendet werden. Gäste sind im Haus jederzeit willkommen. Die Brüder hoffen, dass sich mit dem neuen Haus viele Gelegenheiten bieten, die Gastfreundschaft gegenüber der großen Maristen- und Schulgemeinschaft zu pflegen.
Die Studienkirche des Maristenkollegs feierte am 27. Juni 2015 ein kleines Jubliäum. Vor 65 Jahren im Jahr 1950 wurde das Gotteshaus durch den damaligen Diözesanbischof Joseph Freundorfer geweiht. Der Bau ist, wenn man so will, sichtbares Zeichen der Überwindung der Nazidiktatur, unter der auch die Maristen in Mindelheim gelittten haben.
Extra zu diesem Jubiläum hat Frater Heinrich Schamberger einen Handzettel über die Geschichte der Kirche angefertigt. Daraus geht hervor, dass es schon 1936 Pläne gegeben hatte, ein neues Gotteshaus für die Kommunität, für die Schule und das Internat zu bauen. Die NSDAP durchkreuzte dies 1937. Die Maristenbrüder wurden eingezogen oder gingen ins Ausland. Im Oktober 1949 wurde dann mit dem Bau der Kirche begonnen.
Segnung der Baugrube der neuen Studienkirche 1949
Die Studienkirche im Rohbau
Konstruktion des Dachstuhls
Die damalige Hauskapelle
1950 war sie ebenso fertig wie der wuchtige Turm im Süden. Zahlreiche Bilder in der Kirche stammen von Julius Selenka aus Dillingen. Die drei Deckengemälde hat der frühere Ehrenbürger und Kunstmaler Erwin Holzbaur in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts geschaffen. Den Volksaltar der Studienkirche weihte Diözesanbischof Joseph Stempfle im Oktober 1977. Er brachte Reliquien des ersten heiligen Martyrers der Maristen und Erzpatrons der Südsee des heiligen Martyrers Peter Chanel in den Altar ein.
Die heutige Studienkirche
Der Mindelheimer Künstler Georg Bayer hatte den Volksaltar und den Ambo als Lebensbaum gestaltet. Die Glasfenster übrigens stammen aus der Kapelle der Maristenschule in Remagen. Unter anderem sind Thomas von Aquin, Hildegard von Bingen und der Heilige Antonius von Padua dargestellt. Die Bilder des Kreuzwegs stammen von Erwin Holzbaur und Toni Mayer aus Mindelheim.
Die Orgel erstellte die Firma Zeilhuber aus Altstätten. Sie wurde im Dezember 1953 eingeweiht. Die Studienkirche ist dem heiligen Herzen Jesu geweiht. Die Namensgebung geschah im Andenken an das erste Juvenat (Ordensnachwuchsschule) der deutschen Maristenbrüder in Arlon, Belgien, 1909. Sie trug den Namen Herz-Jesu Juvenat.
Von dort wurde das Juvenat kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs geschlossen und 1915 nach Furth bei Landshut, 1920 nach Stein an der Traun und nach der Gründung der Niederlassung der Maristen 1926 nach Mindelheim verlegt. Hier blieb das Juvenat bis 1931.
Erwähnt sei, dass im neuen Volksaltar der Stadtpfarrei St. Stephan in Mindelheim Reliquien des Ordensgründers der Maristenbrüder, des heiligen Marzellin Champagnat, eingebracht und verehrt werden. Er wurde am 18. April 1999 in Rom heilig gesprochen. Sein Sterbetag ist der 6. Juni 1840, sein kirchlicher Gedenktag der 6. Juni.
Das Maristenkolleg ist stolz und froh, stets uneingeschränkten Zugang zur Studienkirche zu haben, um dort im Rahmen der Schulpastoral und des Kirchenjahres Gottesdienste und Frühschichten zu feiern.