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SCHULFAMILIE


ABSCHIED VON
GOTTFRIED WESSELI


Seinen Professor hat er noch im Ohr, als wäre es gestern gewesen. „Nur drei Prozent der Künstler können von ihrer Arbeit leben“, mahnte dieser vor rund 40 Jahren. Das war deutlich. Gottfried Wesseli wäre gerne Bildhauer geworden. Oder Maler. Aber er wollte auch eine Familie ernähren können. Beides schien ihm zu riskant. Und so wurde er Gymnasiallehrer für Englisch, katholische Religionslehre und Kunst, weil er hoffte, er würde nebenher noch genügend Zeit fürs Bildhauern finden. Das war ein Trugschluss, wie er längst weiß. Viel Zeit für die Kunst ließ ihn sein Beruf über all die Jahre nicht, so sehr ist er in seiner neuen Aufgabe aufgegangen. Einzelne Kunstobjekte hat er gleichwohl geschaffen, zum Beispiel den Altar in der Kirche Oberegg. Ein weiteres Werk steht in seinem Schulleiterbüro im Maristenkolleg. „Ockham’s Razor“, Ockhams Rasiermesser ist die Arbeit überschrieben. Sie soll die Schärfe des Geistes symbolisieren. Für Wesseli ist der mittelalterliche Gelehrte Wilhelm von Ockham Mahner, sich so kompakt und klar wie möglich auszudrücken. Auch zwei Wandbilder in seinem Büro sind von ihm, die übrigen von seiner Frau.

Wesseli ist in Mindelheim zur Welt gekommen. Er legte in Kaufbeuren sein Abitur ab. Er studierte in Augsburg, München, Rom und im englischen Reading. Er hat vier Kinder und lebt mit seiner Frau in Bad Wörishofen. Wesseli hat gerne unterrichtet. Er hat „viel positive Energie“ aus seiner Arbeit gezogen, wie er sagt. Auch wenn es zeitweise anstrengend war, wie er einräumt. Die vergangenen 22 Jahre musste Wesseli noch einen weiteren Beruf erlernen. Unterrichten wurde dabei eher zur Nebensache. Er wurde Schulmanager. Zehn Jahre lang war er am Maristenkolleg in Mindelheim stellvertretender Schulleiter. Zu Beginn waren es fast 2000 Schüler, für die er Verantwortung trug. Erst später erhielt die Realschule eine eigene Führung und die Arbeit wurde auf zwei Schulleitungen verteilt. Heute sind es am Gymnasium 635 Schüler. Seit zwölf Jahren steht der Oberstudiendirektor dem kirchlichen Gymnasium vor, das vom Schulwerk der Diözese Augsburg getragen wird. Ende des Monats ist Schluss. Gottfried Wesseli tritt kurz vor seinem 64. Geburtstag seinen Ruhestand an. Danach hofft er, noch den einen oder anderen Altar in seinem Atelier schaffen zu können.



Gottfried Wesseli ist ein großer Kunstfreund. Deshalb hängen in seinem Büro im Maristenkolleg auch Bilder, die er und seine Frau gemalt haben. Der 63-Jährige geht Ende des Monats als Schulleiter des Maristen-Gymnasiums in den Ruhestand.


Noch will er aber von Abschied wenig hören. Er wird bis zum letzten Tag seine Pflicht erfüllen. Er wird weiter versuchen, alle einzubinden und es allen recht zu machen – Schülern, Eltern und Lehrerkollegen. Sein Prinzip sei, Menschen so zu begegnen, wie man gerne selber behandelt werden möchte. Fair soll es zugehen mit einer klaren Linie. Bis Ende Juli dreht sich alles ums Maristenkolleg. Die künftigen Fünftklässler sollen noch für einen Nachmittag eingeladen werden, damit sie ihre neue Schule schon mal kennenlernen können. Am 23. Juli steht Gottfried Wesseli im Mittelpunkt. Es ist seine große Abschiedsfeier an der Schule. Wichtiger ist ihm aber der kommende Freitag, 16. Juli. Da werden die 82 Abiturientinnen und Abiturienten in einer Feierstunden verabschiedet. Die Atmosphäre am Maristenkolleg beschreibt Wesseli als gut. Einige, die früher hier ihr Abitur abgelegt haben, sind heute an der Schule Lehrer. Für ihn ist das ein Indiz dafür, dass an der Schule ein guter Geist herrscht. Dass er auch selbst einen gehörigen Anteil am guten Miteinander hat, erwähnt er eher am Rande. Es werde respektvoll miteinander umgegangen. Die Ökumene werde hier gelebt. Die Maristen seien weltoffen.

In seine Zeit als Schulleiter wurde an der Schule eigentlich immer irgendetwas gebaut. Die Dreifachsporthalle, die Pausenhalle, Klassenräume, Werkräume und anderes wurde erneuert. Für Schulleiter Wesseli bedeutete das oft, dass er in den Sommerferien nicht verreisen konnte. Da war er an der Schule gefordert. Die Schule sei bestens ausgestattet. „Ich freue mich, dass ich sie gut übergeben kann“, sagt Wesseli. Größere Baustellen hinterlässt er nicht. Allerdings ist er schon ein bisschen traurig, dass ihm Corona seine letzten zwei Schuljahre verhagelt hat. Das Hygienekonzept habe aber so gut funktioniert, dass es zu keiner Ansteckung innerhalb der Schule gekommen sei, betont Wesseli. Sehr gefreut hat er sich auf die Aufführung der Carmina Burana von Carl Orff auf Schloss Kirchheim. Leider habe auch das die Pandemie unmöglich gemacht.

Beate Merkel ist seine Nachfolgerin. Wesseli selbst will erst einmal Abstand gewinnen. „Die Schule muss sich neu ausrichten.“ Es sei für niemanden gut, wenn der alte Schulleiter immer noch herumspringe. Man müsse loslassen. Er ist absolut überzeugt, dass die neue Schulleiterin die Schule mit den 64 Lehrkräften bestens voranbringen werde. Sie sei eine der erfahrensten Schulentwicklerinnen in ganz Schwaben. Der scheidende Schulleiter will erst mal die große Freiheit genießen. Ihn zieht es in die Natur – zum Radfahren und Wandern. Weil seine Familie ein kleines Boot am Ammersee besitzt, könnte Wesseli nun schon bald mehr Zeit zum Segeln finden. Ohnehin ist er jemand, der die Schönheiten der Region zu schätzen weiß. „Ich mache am liebsten Urlaub in den USA“, sagt er und genießt den verdutzten Blick seines Gegenübers. Seine USA liegen nicht in Amerika. USA heißt bei Gottfried Wesseli: Unser schönes Allgäu.


Zeitungsbericht der MZ vom 13.07.2021, Autor: Johann Stoll