Bitte scrollen Sie nach unten
Login


Passwort vergessen?     Login schliessen

SCHULLEBEN


Abiturvorbereitung
in Coronazeiten


Sechste Stunde, Mathe. Andreas Meidert, Lehrer am Maristenkolleg Mindelheim, wendet sich an seine Klasse: die befindet sich zum Teil im Präsenzunterricht an der Schule, zum Teil in dem kleinen Laptop, den Meidert auf dem Tageslichtprojektor positioniert hat. Von den Gestalten im Laptop, „den Knöpfen“ wie Meidert die Daheimgebliebenen liebevoll nennt, bekommen die Schüler im Präsenzunterricht nur wenig mit. Meistens bleiben „die Knöpfe“ stumm, ab und an werfen sie ein „Herr Meidert, wir sehen nichts, können Sie uns verschieben?“ ein oder ein „können Sie uns umdrehen, damit wir winken können?“ und das macht Andreas Meidert dann meistens. Dann winkt zunächst diese eine Person im Laptop, die sich immer mit Bild zuschaltet und sich in jeder Stunde aktiv beteiligt, die anderen „Knöpfe“ bleiben stumm, dann winken alle Schüler, die sich im Klassenzimmer befinden, und danach sind alle für einen Moment glücklich. „Ganz normaler Pandemiewahnsinn“, kommentiert Meidert.



Spaß im Abi-Endspurt: Die Schüler des Maristenkollegs in Mindelheim hatten Mottowochen, in denen auch mal alle in Tracht kamen. (Foto: Pauline May)


Dieser „ganz normale Pandemiewahnsinn“ war in den vergangenen Wochen häufig Alltag für die Schüler und Schülerinnen der Q12 des Maristenkollegs, die sich gerade mitten in der „heißen Phase“ der Abiturvorbereitung befinden, wie Rainer Göppel die Zeit kurz vor den Prüfungen bezeichnet. Der Oberstufenkoordinator berichtet, dass „gerade für technikaffine Schüler“ die Abiturvorbereitung sehr gut laufe. Auch sonst sei man im Allgemeinen im Zeitplan. Dies sei vor allem der guten technischen Ausstattung des Maristenkollegs zu verdanken: „Unsere Lernplattform, Teams, hat im Gegensatz zu Mebis von Anfang an funktioniert, wir Lehrkräfte hatten, teils online, Fortbildungen zu digitalen Themen und wir haben am Maristenkolleg Kollegen, an die wir uns bei technischen Problemen wenden können. Die Schule konnte außerdem für Schüler ohne technische Ausstattung zuhause Leihlaptops zur Verfügung stellen.“

Eine Problematik sei allerdings der Druck, der auf Schülern und Lehrkräften laste. „Wir Lehrkräfte wollen alle mitnehmen – um dieses Ziel zu erreichen ist der Zeitaufwand, den die meisten Kollegen für den Unterricht aufwenden ist noch intensiver als ohnehin schon“, erzählt der Kollege Göppels, Gerhard Wegst.

Grundsätzlich sind sowohl Göppel als auch Wegst mit Blick auf das Abitur dennoch optimistisch: „Es ist ein Geben und Nehmen zwischen Schülern und Lehrern – wenn alle ihren Beitrag leisten, wird das!“, betont Göppel.Unter den Schülern finden sich viele, die diesen Optimismus zwar grundsätzlich teilen, ihre Abiturzeit jedoch auch sehr zwiegespalten sehen. So erzählt Helena Hacker, Schülerin der Q12: „Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind unglaublich benachteiligt und dann gibt es Momente, in denen ich sehe, dass wir sogar Vorteile durch die Pandemie haben.“

Ihr sei durch die Homeschoolingphasen, die die Abiturvorbereitung prägten, viel Stress, gerade bezüglich des Notendrucks, genommen worden, den sie im ersten Halbjahr noch hatte. Auch betreut fühlt sich die Schülerin im Allgemeinen gut: „Im Großen und Ganzen sind die Lehrer super verständnisvoll, rücksichtsvoll und geduldig mit uns. Sie wollen uns schon alle bestmöglich unterstützen.“

Aber es hätte in den langen Wochen der Abiturvorbereitung auch Tage gegeben, an denen die Motivation ganz weg gewesen sei, weil sich alles so fern und unkonkret angefühlt hatte: „Ich meine, was können wir nach dem Abitur Tolles machen? Die Reise, auf die ich seit 2 Jahren spare, wird es wahrscheinlich nicht geben.“

Sorge, dass sie das Abitur nicht bestehen könnte, hat die Achtzehnjährige nicht. „Ich weiß, dass ich durchkommen werde. Ich kann sehr gut allein lernen und mir macht es oft sogar mehr Spaß Sachverhalt auf meine Weise zu begreifen. In der Hinsicht fühle ich mich freier als sonst. Fast wie eine Studentin.“ Aber sie wisse auch, dass es anderen Schüler*innen da anders gehe als ihr, die sich viel mehr Sorgen machen müssten. „Was mich aktuell eher belastet sind die Nachteile, was die Gemeinschaft angeht. Wir waren nur ein Halbjahr wirklich in der Schule. Wir waren weder auf Studienfahrt noch wird es eine Abschlussfahrt geben. Auf einen Abiball können wir nur hoffen. Klar hätten wir alle gern ein normales Abitur und klar wünschen wir uns alle unsere Freiheit zurück – wir sind nun mal nur einmal 18.“

Allerdings sei ihr sehr bewusst, dass diese Probleme eben doch eher Luxusprobleme seien. „Ich persönlich bin in einer unproblematischen Position. Ich merke aber, wie manche Freund*innen mit psychischen Problemen kämpfen und dazu zusätzlich ihr Abitur machen. Oder ich sehe, wie sehr andere Schüler*innen mit dem Schulstoff zu kämpfen haben.“

„Die Pandemie verstärkt die ohnehin existierende Chancenungleichheit noch, bedroht wirtschaftliche Existenzen, isoliert sozial, erzeugt Verlustängste und das alles vor dem Hintergrund, dass Menschen an Corona sterben”, fügt ihre Mitschülerin Alicia Schneider an. „Von diesen psychischen Belastungen sind auch wir Schüler nicht frei. Und ich finde, das sollte man beachten, bevor man unser Abi als wertloses „Coronaabi“ bezeichnet.“

Zeitungsbericht der MZ vom 10.05.2021, Autorin: Pauline May